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19. März 2022

Graue Bienen von Andrej Kurkow

Graue Bienen von Andrej Kurkow - Buchcover

Malaja Starogradowka, ein Dorf im Niemandsland, irgendwo im Osten der Ukraine, in der sogenannten grauen Zone. Zwei Häuserzeilen, kein Strom, kein Kinderlachen, kein Dorfladen, keine Post. Zwei Bewohner harren hier noch aus. Der eine ist der Bienenzüchter Sergej Sergejitsch, der andere sein Feindfreund Paschka. Die restlichen Bewohner des Dorfes sind geflüchtet, Richtung Westen. Dorthin, wo keine Scharfschützen auf der Lauer liegen, kein Artilleriefeuer zu hören ist, wo die Fenster noch heil sind und nicht durch Granateneinschläge kaputt gegangen sind.

Nur selten bekommen die Dorfbewohner Besuch. Paschka von russischen Separatisten, Sergej von einem ukrainischen Soldaten namens Petro.

Sergej arrangiert sich. Mit der Kälte, den wenigen Lebensmitteln, sogar mit Paschka. Der Krieg ist allgegenwärtig und irgendwie doch nicht, Sergej versucht ihn so gut es geht zu verdrängen. Er flüchtet sich in seine Träume und in seine Vergangenheit. Seine Ehe ist gescheitert, die Kommunikation zur Tochter abgebrochen. Das einzige, was ihn noch interessiert, sind seine Bienen, die in den sechs Bienenstöcken im Schuppen überwintern.

„Grau kann auch strahlend sein! Du weißt nicht viel vom Grau!
Ich kann wohl zwanzig Schattierungen von Grau unterscheiden.“

Durch die graue Zone mit den Bienen

Diese Bienenstöcke lädt er im Frühling auf seinen Anhänger und fährt weg. Dorthin, wo nicht geschossen wird. Wo seine Bienen in Ruhe arbeiten können. Weg vom Krieg. Allerdings wird Sergej selbst nun kaum mehr Ruhe finden, denn seine Abreise aus Malaja Starogradowka bedeutet auch die Auseinandersetzung mit Grenzposten, Passagierscheinen, Check-Points und feindseligen Dorfbewohnern.

Schließlich landet Sergej in der Krim. Und es ist gar nicht so sicher, ob er sein Dorf jemals wieder sehen wird.

„Er selbst fuhr nicht in den Krieg, sondern nach Hause.
Es war nicht seine Schuld, dass sein Haus jetzt im Krieg stand.“

Ein Roman über den vergessenen Krieg der Ukraine

Vor vielen Jahren las ich ein Buch von Andrej Kurkow. Es war der Roman, mit dem er berühmt wurde und der den Namen „Picknick auf dem Eis“ trägt. Skurril und komisch, so habe ich das Buch in Erinnerung. „Graue Bienen“ von Andrej Kurkow ist stellenweise ebenfalls skurril. Besonders im ersten Teil, als Sergej noch in seinem Dorf lebt.

Im zweiten Teil nimmt die Handlung an Fahrt auf. Der Bienenzüchter wird unfreiwillig in das Geschehen des Krieges einbezogen, obwohl er immer noch versucht, sich aus allem rauszuhalten.

„Graue Bienen“ ist ein Buch über den Krieg der Daheimgebliebenen. Die, die nicht an der Front stehen, kein Gewehr in Händen halten, die sich nicht wehren können oder auch nicht wollen.

Graue Bienen von Andrej Kurkow
erschienen im Diogenes Verlag
Taschenbuch
448 Seiten

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Am liebsten würde ich als Wolkenbeobachterin in einem Baumhaus leben. Bis zur Decke vollgestopft mit Büchern, versteht sich. Denn die verschlinge ich, seit ich denken kann. Ich bin eine Vielleserin, durch und durch. Irgendwann hab‘ ich selbst mit dem Schreiben angefangen. Weil ich mich erinnern möchte. Weil sich auf Papier gebracht vieles leichter sagen lässt. Weil ich kleinen und großen Dingen mit den richtigen Worten das nötige Gewicht verleihen will. Wie eine Geschichtenerzählerin. Meine Texte packe ich wie Geschenke in Formulierungen ein – und der Leser packt sie aus.

Miriam blitzt - Miriam Mehlman Fotografie