Asien > Mongolei > Mongolei – Ein Leben im Kloster

3. Mai 2019

Mongolei – Ein Leben im Kloster

Der alte Mann im Kloster in der Mongolei zeigt uns alle seine Schätze. Jede Schublade und jede Schranktür wird geöffnet, jeder Ziegel inspiziert, jedes Photo holt er vom Schrank und zu jedem Stück erzählt er uns eine Geschichte. Im Vorbeigehen bringt er die Gebetsmühlen zum Rotieren und streicht liebevoll über die in bunte Seide eingepackten Sanskritschriften.

Ongij Kloster Mongolei
Ein alter Mann im Ongij Kloster in der Mongolei

Wir sind im Ongij-Kloster in der Mongolei.

Oder besser gesagt, wir sind in den Überresten der Klosteranlage. Ursprünglich war das Kloster eines der größten in der Mongolei und beherbergte bis zu 10 000 Mönche. Es war gleichbedeutend mit dem Potala Palast in Lhasa.

1937 fanden an diesem Ort, wie in der gesamten Mongolei, antireligiöse Säuberungskampagnen statt. Die Mönche wurden vertrieben, zwangsverheiratet, vor Gericht gestellt oder ermordet und das Kloster dem Erdboden gleichgemacht.

Kloster in der Mongolei
Das blieb übrig vom Ongji-Kloster

Ringsum sehe ich Mauerreste auf den Hügeln. Einst standen hier 108 prächtige Stupas, die auf den Reichtum und die Bedeutung hinwiesen. Und ganz langsam, entsteht zwischen diesen Mauern wieder ein Kloster. Ein kleines Steinhäuschen wird als Museum genutzt, in einer Jurte werden die Zeremonien abgehalten. Und der alte Mann erzählt ganz stolz, dass erst heute Morgen zwei neue Lamas feierlich empfangen wurden.

Einen ganz jungen Lama lernten wir auf unserer Reise kennen

und zwar im wiederaufgebauten Kloster Amarbayasgalant. Es war nicht einfach ihn wach zu kriegen, sagt unsere Reiseleiterin Una und lacht. Sie hatte eine halbe Stunde nach einem Guide gesucht und schließlich einen 14-jährigen Jungen gefunden, der uns durch die Anlage führte.

Gähnend erklärte er uns die Besonderheiten des Klosters. Dank großzügiger Spenden konnte das Kloster wieder aufgebaut werden. Die UNESCO erklärte es zum Weltkulturerbe. Doch außer uns und einer Herde Kühe, die gemächlich neben den Tempeln graste, war niemand zu sehen.

Die ganze Anlage wirkte am Tag unseres Besuches einsam und verlassen. Die mit Ziegel gedeckten Dächer sind mit Unkraut verwachsen, der Putz blättert von den Wänden, in den Ecken ist es staubig und schmutzig. In manchen Tempeln nisten die Tauben, beim Betreten der Räume höre ich sie gurren und flattern. Taubendreck liegt am Boden.

Amarbayasgalant Kloster
Amarbayasgalant Kloster – UNESCO Weltkulturerbe

Die Tauben erinnern mich an das Gandam Kloster in Ulaanbaatar.

Im Gegensatz zur Ruhe im Amarbayasgalant Kloster herrschte dort hektische Betriebsamkeit. Im Tempel fand während unseres Besuches eine Zeremonie statt. Die Mönche rezitierten ihre Gesänge (om mani padme hum), unterbrochen vom Schlagen der Zimbel. Ein Mönch blies in sein Muschelhorn (das klingt in etwa so wie ein Schiffshorn, nur viel, viel leiser).
Es roch nach zerlassener Butter und dem Rauch von Wacholder.

Gandam Kloster Ulaanbaatar
das Gandam Kloster in Ulaanbaatar

Das Gandam Kloster wurde nicht so stark zerstört wie die übrigen Klöster der Mongolei. Die Gebäude, die den lamaistischen Säuberungen standhielten, wurden 1944 wieder geöffnet. Angeblich überwachte die Geheimpolizei die Gebete und Zeremonien, man arrangierte sich.

Opfergaben
Opfergaben im Kloster in der Mongolei

Zurück ins Ongij Kloster. Alles hat er uns erklärt, meint der alte Mann. Mehr gäbe es nicht zu sagen. Aber er würde uns gerne noch ein Ständchen auf seiner Maultrommel spielen, übersetzt Una. Die Maultrommel hielt er bisher unter seinem Hut versteckt. Stolz stellt er sich neben den Brunnen und spielt für uns ein mongolisches Volkslied.

Ongij
Der alte Mann spielt uns ein Ständchen auf seiner Maultrommel

Das Lied gibt es auf Youtube, hier klicken….

Hinterlassen Sie einen Kommentar





20 + eins =

Ein wilder Ort voller Geschichten!

Du möchtest wissen, wer hier schreibt? Bitte schön:

Am liebsten würde ich als Wolkenbeobachterin in einem Baumhaus leben. Bis zur Decke vollgestopft mit Büchern, versteht sich. Denn die verschlinge ich, seit ich denken kann. Ich bin eine Vielleserin, durch und durch. Irgendwann hab‘ ich selbst mit dem Schreiben angefangen. Weil ich mich erinnern möchte. Weil sich auf Papier gebracht vieles leichter sagen lässt. Weil ich kleinen und großen Dingen mit den richtigen Worten das nötige Gewicht verleihen will. Wie eine Geschichtenerzählerin. Meine Texte packe ich wie Geschenke in Formulierungen ein – und der Leser packt sie aus.

Miriam blitzt - Miriam Mehlman Fotografie