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3. Mai 2019

Im Schulmuseum in Bad Leonfelden

Aufrecht stehen sie da, die Lippen fest zusammengepresst, die Augen in die Kamera gerichtet, kein Lächeln ist zu sehen. Das festliche Sonntagsgewand haben sie an, doch bei näherem Hinsehen erkennt man, dass nur die Kinder in der ersten Reihe Schuhe anhaben, die in den hinteren Reihen sind barfuß. Mittendrin steht das Fräulein, das bei Verheiratung den Schuldienst quittieren musste. Schaut die Dame am Bild vergrämt, weil sie nicht verheiratet ist?

Klassenfoto
Klassenfoto im Schulmuseum Bad Leonfelden

Auf Besuch im Schulmuseum Bad Leonfelden

Ich betrachte die Fotos an den Wänden. Kind sein am Land war um die Jahrhundertwende (19./20.Jahrhundert) sicherlich kein Honiglecken  Früh am Morgen mussten die Kinder zuhause fleißig mitarbeiten, bevor sie stundenlang in die Schule marschierten. Die Siebensachen hatte man im Schulranzen auf dem Rücken. Im Winter wurde auch ein Holzscheit mitgeschleppt, sonst konnte der Ofen in der Klasse nicht beheizt werden. Und da saß man nun auf den harten Holzbänken, beäugt von Kaiser Franz Josef und eingeschüchtert vom strengen Blick des Herrn Lehrers oder des Fräuleins.

Schulmuseum
Klassenzimmer um 1900 im Schulmuseum in Bad Leonfelden
Tafel
Schreibtafel im Schulmuseum

Schule schwänzen war damals kein Thema. Als Maria Theresia die Schulpflicht einführte, landeten Väter, die ihre Kinder nicht regelmäßig in die Schule schickten, im Kerker. Und zu Beginn des 20.Jhdts. wurden Eltern angehalten, die Abwesenheit ihrer Kinder schriftlich zu entschuldigen, was wegen mangelnder Rechtschreibung der Eltern zu kuriosen Entschuldigungstexten führte: „Geerter Herr Schullehrer. Ich als den Oberndorfer seine Mutter gebe inen freundlich bekannt das er ser marod ist. Achtungsvol“ (sic!).

Der Beruf des Lehrers

Doch auch die Lehrer hatten kein leichtes Leben. Oft mussten sie einen Nebenjob annehmen (Flickschuster, Mesner, Organist), um sich und ihre Familie erhalten zu können. Man lebte recht und schlecht aus Mitteln des Schulfonds, von kirchlichen Sammlungen und Naturalien. Zu den Aufgaben des Lehrers gehörte es auch, die Tinte für den Schulunterricht anzurühren. Dazu brauchte man Galläpfel, Vitriol, Gummi arabicum, Weinessig und Regenwasser. Das genaue Rezept aus dem Jahr 1775 ist im Schulmuseum einzusehen.

Das Schulmuseum in Bad Leonfelden quillt über vor originellen und originalen Ausstellungsstücken. In einer Vitrine liegen ein römischer Stilus und eine Wachstafel. Mit dem spitzen Ende wurden Zeichen in die Wachstafel geritzt, und mit der breiten wieder glattgestrichen. Man machte „tabula rasa.“ Und woher kommt die Redensart: „Vom Fleck weg heiraten“? Mädchen lernten im Handarbeitsunterricht Sticken, Stopfen und Nähen. Ein Musterfleck wurde produziert. War die zukünftige Schwiegermutter mit der genauen Ausführung zufrieden, durfte geheiratet werden, eben „vom Fleck weg“.

Wachstafel
Wachstafel mit Stilus
Handarbeitsfleck
Handarbeitsfleck

Die einstündige Führung ist viel zu kurz, und die Zeit vergeht wie im Flug. Sollte ich wieder einmal in der Gegend sein, werde ich das Schulmuseum sicherlich nochmals besuchen.

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Am liebsten würde ich als Wolkenbeobachterin in einem Baumhaus leben. Bis zur Decke vollgestopft mit Büchern, versteht sich. Denn die verschlinge ich, seit ich denken kann. Ich bin eine Vielleserin, durch und durch. Irgendwann hab‘ ich selbst mit dem Schreiben angefangen. Weil ich mich erinnern möchte. Weil sich auf Papier gebracht vieles leichter sagen lässt. Weil ich kleinen und großen Dingen mit den richtigen Worten das nötige Gewicht verleihen will. Wie eine Geschichtenerzählerin. Meine Texte packe ich wie Geschenke in Formulierungen ein – und der Leser packt sie aus.

Miriam blitzt - Miriam Mehlman Fotografie